AW: Trennung zwischen Kirche und Staat in Deutschland
@moderation verschiebt das Thema wenn es woanders besser passt. Ich habe es nur erstellt aufgrundlage dieses postes:
Das Thema führt "Staat" sogar (zu Recht) im Titel, da ist es im Politikforum sicherlich gut aufgehoben
Man kann viel weiter zurück gehen:
Im Prinzip läßt sich beinahe jedes Gesetz auf eines der 10 Gebote runterbrechen/zurückführen.
Es ist aber ein Unterschied, ob Gesetze das Konzept von religiösen Geboten aufgreift, die man für richtig hält, oder ob sie von nicht religiösen Institutionen geprägt werden.
Ersteres ist vollkommen legitim, solange es seinen verfassungsgemäßen Weg geht - warum sollte nicht auch in religiösen Texten ein brauchbarer Gesellschaftscodex stecken? Ein paar Jahrtausende relativ gute Erfahrung sind allemal Grund genug, nachzugucken. Und wenn du den Spieß mal umdrehst, dann wurde genau das gemacht - und der Großteil verworfen. Denn die 10 Gebote sind zum Teil zwar so allgemein, dass man fast jedes Gesetz damit verknüpfen kann. Aber einige sind auch so weit an den Themengebieten eines modernen Rechtsstaates vorbei, dass du ~6 der Gebote kaum bis gar nicht in unseren Gesetzen wiederfinden wirst. (Stehlen und Morden sind verboten, Lügen nur stellenweise erlaubt, bereits Ehebrechen ist gesetzlich kaum noch geächtet, begehren darf man, was man will und der Sabbat ist unseren Gesetzen ~genauso egal, wie was für Bildnisse man sich von wie vielen Gottheiten macht)
Wenn dieses "gucken, überdenken, ggf. greifen" umgangen wird, in dem eine Kirche direkt ihre Interessen in Gesetze einfließen lässt, dann ist das alles als andere als richtig, sondern schlichtweg undemokratisch.
In einer Demokratie muß außerdem erlaubt sein, das sich auch kirchlich orientierte Partien wie die CDU bilden/gründen und gewählt/an die Macht kommen dürfen.
Ebenso muß eine echte Demokratie leider auch rechtsgerichtete Parteien aushalten können - oder kommunistisch-sozialistische.
Jein. Eine ursprüngliche, pure Demokratie (manchmal auch Demokratur genannt) muss das aushalten - ja. Da darf die Mehrheit ALLES. Nach diesem Verständnis wäre es z.B. auch "demokratisch" gewesen, wenn 1940 die Mehrheit der Deutschen für die Vernichtung der Juden gestimmt hätte (*1pointGodwintoMe
*).
In einem modernen demokratischen Rechtsstaat gibt es aber noch ein paar weitere Elemente. Z.B. unveränderliche Grundrechte (z.B. den Schutz vor religiöser Diskriminierung) und den Schutz des demokratischen Systems selbst (z.B. vor Faschisten - oder auch vor politischen Ausläufern der Kirchen). Bei uns auch den Schutz Eigentums (vor Enteignung z.B. von Konzernbesitzern vor Sozialisten. Interessanterweise ist die Enteignung von Hausbesitzern zugunsten von z.B. Stromkonzernen möglich).
In dieser Form von Demokratie -!unserer Form von Demokratie!- ist es somit erlaubt, wenn sich Leute mit spezifischen Interessen (z.B. christlichen) zu einer Partei zusammenschließen und diese Interessen im politischen Prozess vertreten/durchsetzen. Es sollte aber eigentlich verboten sein, dass sie politische Aufgaben an nicht-demokratische, religiöse Institutionen ihrer Wahl übertragen. Denn auch wenn in einer modernen Demokratie nicht alles geschieht, was die Mehrheit will, darf (eigentlich) umgekehrt weiterhin nichts geschehen, was die Mehrheit nicht will. Die demokratisch legitimierte Regierung muss die Kontrolle behalten und darf z.B. nicht Teile des Bildungsangebotes, der Sozialsysteme oder des Gesundheitssystems der Kirche überlassen.
Macht Angela "so war uns Gott helfe" Merkel aber trotzdem und scheint (wie bei so vielen Dingen) damit durchzukommen
Die Trennung von Kirche und Staat bedeutet nur, das es keine Staatsreligion gibt, also auch andere Religionsgemeinschaften ihren Glauben frei und öffentlich ausüben dürfen, ohne Repressalien durch staatliche Organe befürchten zu müssen, solange sie sich verfassungskonform benehmen. Außerdem bedeutet es, das es auch keine Theokratie gibt, als keinen durch einen Gott welcher Art auch immer eingesetzten Regenten, einen "König durch Gottes Gnaden", einen "Sohn des Sonnengottes" oder was auch immer.
Viel mehr bedeutet der feststehende Begriff "Trennung von Kirche und Staat" nicht.
Nach dieser Definition wären sogar in Saudi-Arabien "Staat und Kirche" getrennt... (denn da ist der Herrscher afaik nicht religiös legitimiert und man darf seinen Glauben frei ausüben, solange man die Verfassung berücksichtigt. Gut, die akzeptiert ausschließlich den Islam als Glauben - aber das ist eine Einschränkung, die deine Definition ja zulässt... . Ganz abgesehen davon, dass auch in Deutschland nicht jeder Glauben als solcher anerkannt wird.)
Reden wir eig. nur über das Christentum in Deutschland, oder über alle religösen Gemeinschaften?
Praktisch reden wir nur übers Christentum in Deutschland. Diskussionen über andere Staaten würden wohl, mangels Kenntnissen, schnell in Vorurteils-Flame ausarten und andere Religionsgemeinschaften spielen in Deutschland bislang kaum eine Rolle. (Sieht man von den jüdischen und muslimischen Sonderrechten zur Verstümmelung von Jungen und dem Quälen von Schlachttieren ab. Aber so fragwürdig diese Sondergesetze für sich auch sind - insgesamt sind sie keine große Ausnahme und zudem unter fleißiger Lobbyarbeit der christlichen Kirchen geschaffen bzw. mehrfach bestätigt worden.)
Zum zweiten, ja, das Geld stammt vom Staat, der es aber auch im Namen der Kirche unter dem Begriff "Kirchensteuer" eingenommen hat.
Und nicht jeder zahlt Kirchensteuer.
Ähhhh - nein?
Die Kirchensteuer wird vom Staat eingetrieben, aber nahezu 1:1 an die Kirchen weitergeleitet.
Diverse kirchliche Einrichtungen werden unabhängig davon direkt aus staatlichen Mitteln finanziert, die z.B. über Lohn- oder Mehrwertssteuer eingenommen wurden. Die jeder zahlt.
Wenn man seine Kinder in einen christlichen Kindergarten oder seine Eltern in ein christliches Altersheim gibt, dann erwartet man auch das dort christliche Werte vermittelt werden. Ganz normal das die Personaler ihre Angestellten dann anhand dieser Kriterien auswählen.
Ganz abgesehen davon, dass ich keinerlei Wertevermittlung erwarte, wenn ich meine Eltern in ein Altersheim schicke (alten Leuten was vermitteln? Die sollen erstmal die Pflege hinbekommen, ehe sie ihre Zeit mit sowas verschwenden
), kann man als jemand, der seine Kinder nicht in einen christlichen Kindergarten schickt, aber wohl erwarten, dass man die Indoktrinierung der Kinderer anderer nicht bezahlt. Ich finanziere ja auch nicht die Jugendorganisation der NPD (die dies natürlich deutlich weniger verdient hätte, als christliche Kindergärten - aber, solange sie nicht verboten werden kann, eigentlich den gleichen Anspruch darauf). Spätestens in Krankenhäusern hört der Spaß sowieso ganz auf. Da erwartet der Besucher nämlich geheilt zu werden - und zwar nicht seelisch und auch nicht mit 2000 Jahre alten prinzipien.
Und: Ganz allgemein wäre mal festzuhalten, dass dank der gemeinsamen Wurzeln manch Jude oder Moslem mehr und besser christliche Werte vermitteln könnte, als ein de-facto Atheist, dem Religion egal ist und der die Konfession nur wegen seinen Eltern im Ausweis stehen hat. Wenn kirchliche Einrichtungen also eine faire, nicht diskrimmierende Auswahl treffen wollten (und bitte auf eigene Kosten), dann sollten sie Eignungstests machen, aber nicht nach Lippenbekennntnissen einstellen.
Versuch doch mal als Hetero nen Job in einer Schwulenbar zu bekommen oder als Atheist in der türkischen Teestube... wird auch nicht klappen
Ganz einfach weil es schlecht fürs Geschäft ist!
Würde damit rechnen, dass beides rein gar kein Problem ist.
Und in türkischen Läden arbeiten meist nud Türken.
Ist aber woanders nicht anders. Ich kenne jetzt keinen Deutschen der ein chinesischen Restaurant betreibt.
Der Italiener gegenüber wird von einem Inder betrieben, der Inder die Straße raus von einem afaik Thai. Wer den Thai 5 Blöcke weiter betreibt, weiß ich nicht genau - hätte nach Namen und Aussehen aber instinktiv China getippt. Die Dönerbude 100 m die Straße runter ist jedenfalls in deutscher Hand (ohne Spuren von Migrationshintergrund) und bei dem Fischimbiss, der hier an der Ostsee wohl als lokaler Geschäftszweig zählen kann, tippe ich auf türkisch- oder griechischstämmig.
Fazit:
Kulturelle Vorbehalte sind nicht unüberwindbar
Also es klappt ja gut mit tdem thread.
Bin auch positiv überrascht, dass es bislang noch kein geflame gab.
Wenn man bedenkt, dass dieses Forum in der Vergangenheit schon mehrere Hobby-Missionare angezogen hat...
Oaky, das ist krass und das wußte ich nicht.
Aber es stellt sich die Frage, ob das für alle kirchlichen Einrichtungen gilt?
Es gilt mehr oder minder für alle. Selbst Kirchen (also die religiösen Bauwerke höchst selbst) können im Rahmen des Denkmalschutzes oder der Tourismusförderung so manches abgreifen. (Und, wie ich bei einer Suche zur Finanzierung des Kölner Doms -auf alle Fälle <30% aus kirchlichen Mitteln- gefunden habe, finanziert der Staat z.B. auch Bischofsschulen zu
90%[/url)
Gesamtzahlen gibt es leider nicht, da "die Kirche" ihre Elemente gerne einzeln firmieren lässt und auch selten die Zahlen öffentlich zugänglich macht, aber Schätzungen, die ich gelesen habe, laufen meist auf 60-80% staatliche Finanzierung im Schnitt über alle kirchlichen Einrichtungen hinaus. Unterm Strich würde es mich nicht wundern, wenn die Kirchen in Deutschland von ihrem eigenen Budget gerade eben so die Gotteshäuser als solche betreiben könnten.
Gut, der Freistaat Bayern...das der eigene Wege geht. Ich kann Dir das Gegenbeispiel liefern: in Schleswig-Holstein werden die Pastoren von der Kirche bezahlt, nicht vom Land.
Und die Religionslehrer?
Also kann man diese Aussage nicht pauschalisieren.
Das der Staat die Kirche subventioniert, bezweifel ich nicht. Mit wie vielen Millarden, weiß ich auch nicht. Aber ich behaupte mal, die Summe reicht nicht, um sämtliche kirchlichen Einrichtungen vollständig zu finanzieren.
Vollständig sicherlich nicht. Irgendwo müssen die Kirchensteuern ja dann doch hinfließen. Aber selbst wenn der Staat nur zu 50% beteiligt wäre, wäre das demokratisch nicht zu rechtfertigen. Man vergleiche das mal z.B. mit den Banken, denen der Staat mit afaik z.T. <20% ihres Jahresumsatzes als Garantie (nicht Zahlung!) unter die Arme gegriffen hat und wo vollkommen zu Recht gefordert wurde, dass er im Gegenzug Kontrollgewalten ausüben sollte.
Hm, soweit ich weiß, staht die Kirche nicht über dem Grundgesetz. Sie hat nur ein eigenes Arbeitsrecht.
Das in Fragen der religiösen Diskriminierung bereits eine Ausnahme vom Grundgesetz darstellt. Wie weiter oben erwähnt gibt es für weitere Religionsgemeinschaften sogar noch deutlich heftigere Ausnahmen von deutlich basaleren Grundrechten - und diese kamen unter starker Mitwirkung der christlichen Kirchen zustande (so paradox das für manchen auch klingen mag, aber wenn es um die potentielle Einschränkung religiöser Sonderrechte geht, macht die Ökumene plötzlich ungeahnte Fortschritte...)
Ich kann Dir noch ein anderes Beispiel geben, wo man vom Arbeitsgeber eingeschränkt wird:
Als Polizist/Soldat darf man seine politische Meinung nur bedingt frei äußern. In diesen Berufen hat man "neutral" zu sein und jeder politischen Ausrichtung zu dienen, die gerade an der Macht ist und nicht nur der, die einem gefällt.
Iirc darf man außerhalb des Dienstes sehr wohl seine Meinung haben und äußern, solange diese verfassungskonform ist. Letzteres ist zwar auch noch eine kleine Einschränkung, aber durchaus angemessen für Personen, die diese Verfassung verteidigen sollen. Auf die Kirche übertragen ist das aber nicht mehr das Niveau einer z.B. Krankenschwester im christlichen Krankenhaus, sondern das Levels eines Priesters. Das für dessen Arbeit eine gewisse christliche Überzeugung Grundvorraussetzung ist, muss man wohl akzeptieren. Aber für einen Koch im Altersheim?
(Fällt mir auf: Eigentlich sind beide Einschränkungen inkompatibel. Da die Verfassung in Teilen dann doch vom christlichen Glauben abweicht und der dann umgekehrt deutlich von der Verfassung, dürften Personen entweder für den Kirchen- oder den Staatsdienst geeignet sein. Aber nie für beides. Ein z.B. Pastor als Bundespräsident müsste entweder exkommuniert oder wegen Meineids eingelocht werden, denn er kann nicht beide Versprechen halten.)
Außerdem kannst Du es außerhalb von Bayern probieren. Viele müssen wegen ihres Jobs umziehen, dann wohl auch leider Du, oder?
"zieh doch weg, wenn dir die Kirche nicht passt, wir wollen hier nur Christen" ist nicht so ganz das, was das Grundgesetz mit Diskriminierungsfreiheit meint...
Ja, aber wenn das der einzige Bereich ist, in dem die Kirche sich nicht dem Staat beugt, dann finde ich das nicht als ausreichend, zu behaupten, es gäbe keine Trennung zwischen Staat und Kirche.
Für "keine Trennung" reicht eine einzige Verbindung. Wers nicht glaubt kann ja mal eine winzige Verbindung zwischen einer Salzwasserlösung und dem Innenleben seines Rechners aufbauen